WIDERSTÄNDE ÜBERWINDEN


"Drahtesel benötigen immer einen Tritt"

Anders als beim Auto steht mir als Radfahrer nur meine (oft begrenzte) Körperkraft zur Verfügung. Diese möchte ich natürlich möglichst effizient einsetzen, um damit die verschiedenen Widerstände zu überwinden.

Abb.1: Kräfte und Widerstände am Fahrrad

Im vorherigen Post habe ich über die effiziente Tritttechnik geschrieben, d.h. mit weniger Aufwand zum Ziel zu kommen. Jetzt geht es darum, mit welchen zusätzlichen Aktionen die Widerstände beim Radfahren verringert werden können? Durch diese unten beschriebenen Maßnahmen kann man effektiv an das Ziel kommen.


Fall 1: Im flachen Norddeutschland ohne massive Steigungen

Gewicht ist in dieser Gegend nicht das ausschlaggebende Kriterium, um wirklich effizient unterwegs zu sein. Es sind der Luftwiderstand sowie der Rollwiderstand!

Bis 15 km/h sind Roll- und Luftwiderstand etwa gleich stark. Ab einer Geschwindigkeit von 20 km/h macht sich der Luftwiderstand überproportional bemerkbar!

Abb. 2: Zusammensetzung Gesamtwiderstand in der Ebene


Fall 2: In den Bergen, z.B. bei einer gleichmäßigen Steigungen von 5%

Die Hauptleistung, die an einer solchen Steigung erbracht werden muss, ist die Überwindung der Hangabtriebskraft aus der sich der Steigungswiderstand ergibt. Erst dann folgen der Rollwiderstand sowie der Luftwiderstand!

Bis 15 km/h werden ca. 90% der Leistung zur Überwindung des Steigungswiderstandes erbracht. Ab einer Geschwindigkeit von 20 km/h machen sich der Luft- und Rollwiderstand stärker bemerkbar!

Abb. 3: Zusammensetzung Gesamtwiderstand bei 5% Steigung


1 - Rollwiderstand

Der Rollwiderstand entspricht der Energie, die beim Abrollen des Reifens verloren geht. Im Wesentlichen resultiert der Energieverlust aus der fortwährenden Materialverformung im Reifen. Der Rollwiderstand wird beeinflusst durch
    - Reifendruck,
    - Reifendurchmesser,
    - Reifenbreite und -profil.

Der Reifenluftdruck ist wesentlich einflussreicher als Materialmischung, Gewebeart oder Reifenbreite auf die Minimierung der Rollwiderstandsleistung.

Bei komplett glattem Untergrund gilt: 
Je höher der Luftdruck, umso geringer ist der Rollwiderstand, da durch den hohen     Luftdruck die Verformung des Reifens vermindert wird. Also: Bei höherem Luftdruck drückt sich der Reifen weniger stark ein, Wulst und Walkarbeit reduzieren sich.

Im Gelände ist es genau umgekehrt: 
Je geringer der Luftdruck, umso geringer der Rollwiderstand. Das gilt für Schotterpisten genauso wie für weiche Wald- und Wiesenböden. Die Erklärung: Ein Reifen mit geringem Luftdruck kann sich Unebenheiten besser anpassen. Er sinkt weniger tief ein und das Gesamtsystem wird weniger stark durch Unebenheiten gebremst.

Fazit: 
Die optimale Reifen-/Reifenluftdruckempfehlung für feste, ebene Böden ist demnach ein breiter Reifen mit hohem Positivanteil des Profils und hohem Reifenluftdruck. Reifen mit einem größeren Durchmesser haben bei gleichem Luftdruck einen niedrigeren Rollwiderstand. Für Schotter- oder Waldwege empfiehlt sich ein geringerer Luftdruck und ein Stollenprofil kann von Vorteil sein.
Auf der Straße spielt der Rollwiderstand bei höheren Geschwindigkeiten und damit verbunden Antriebsleistungen eine geringere Rolle (z.B. 12%). Im Gelände hingegen kann der Rollwiderstand trotz richtiger Reifenwahl einen enormen Anteil ausmachen (Schotter z.B. 24% und auf einer Wiese 46%).



2 - Steigungswiderstand

Am Berg muss man vor allen Dingen den Steigungswiderstand überwinden, hervorgerufen durch die Hangabtriebskraft. Diese Kraft wird linear durch die Geschwindigkeit und die bewegte Masse beschrieben. Die zu erbringende Leistung ist direkt proportional zu dem Gesamtgewicht (Fahrer und Rad und Gepäck) sowie der vorgelegten Geschwindigkeit. Der Luftwiderstand ist zu vernachlässigen.

Die Grafik für unterschiedliche starke Steigungen setzt eine konstante Antriebsleistung des Fahrers von 150 Watt voraus. Bereits bei einer Steigung von 1,8% ist der Steigungswiderstand genauso hoch wie der Widerstand aus Rollreibung und Luftwiderstand zusammen.
Bei 5 % Steigung und gleicher Antriebsleistung müssen 80% dieser Leistung dazu erbracht werden, um den Steigungswiderstand zu überwinden.


Abb. 4: Anteil des Steigungswiderstandes bei konstanter Antriebsleistung


3 - Luftwiderstand

Der Luftwiderstand ist die „unsichtbare Kraft“, welche sich jeder Fortbewegung entgegenstellt. Der Luftwiderstand nimmt im Alltagsbetrieb den größten Anteil an den Fahrwiderständen ein, abgesehen von Bergauffahrten (siehe Abb. 2 und 3.).

Der Luftwiderstand steigt mit der Geschwindigkeit, d.h. fährt man z.B. statt 10 km/h nun 20 km/h, so ist der Luftwiderstand nicht doppelt sondern z.B. dreimal so groß.

Messungen im Windkanal haben ergeben, dass lediglich 25% des Luftwiderstandes durch das Fahrrad (Rahmen, Räder, Anbauteile) bestimmt werden, der übergroße Rest wird durch den Fahrer und seiner Bekleidung verursacht.

Überall liest man folgende Tipps zur Reduktion des Luftwiderstand auf dem Fahrrad:

Sitzposition: 
In sportlicher Haltung auf dem Treckingrad:
    - Der Griff an den Lenker nahe des Vorbaus sowie
    - die Beine an den Rahmen drücken und
    - die Ellenbogen anwinkeln.

Beim Gravel- oder Rennradlenker
    - ein langer gestrickter Rücken sowie
    - das Kinn kurz über dem Vorbau.

Damit holt man das maximal mögliche raus, ein Vorteil von 3-4 km/h ist möglich. 

Enganliegende Kleidung: 
Auch wenn das scheinbar nur ein kleiner Punkt ist, die Wirkung in Bezug auf Luftwiderstand ist enorm:
    - Flatternde Trikots oder Westen vermeiden,
    - Reißverschluss zu bis zum Hals, kein Bremsfallschirm sowie
    - volle Trikottaschen vermeiden. 

Radtaschen:
    - Auf übergroße seitliche Radtaschen verzichten und besser sind
    - Taschen, die hinter dem Sattel im Windschatten liegen.

Quelle: Roadbike – Ausgabe 10/2017 

4 - Mechanischer Widerstand


Ferner gibt es noch einige Reibungswiderstände in der Kette und in anderen sich drehenden Teilen. Bei einem modernen und gut gepflegten Fahrrad mit Kettenschaltung beträgt der Widerstand durch Reibungen des Antriebsstrangs in etwa nur 2% der Gesamtleistung.


5 - Beschleunigungswiderstand

Im Stadtverkehr bei Stopps an Ampeln und Kreuzungen muss ständig wieder beschleunigt werden. Hierbei interessiert vor allen Dingen das Gewicht des Fahrrades (samt Fahrer!). Bei ständigen Tempowechseln, ist viel Beschleunigungsarbeit zu leisten, in die das Gewicht proportional eingeht.


6 - Gesamtgewicht Rad, Fahrer und Gepäck

Es wird viel über das Gewicht eines Fahrrades geschrieben, diskutiert und auch ich gehöre zu den Radfahrern, die auf die Grammzahlen bei der Auswahl des neuen Equipments schauen. Aber bringen 300g weniger Gewicht am Rad tatsächlich den oft teuer erkauften Vorteil?

In flacher Fahrt ist das Gewicht relativ unbedeutend:
In diesem Fahrzustand hat die Masse von Rad und Fahrer lediglich Einfluss auf den Rollwiderstand und auf die sowieso minimale Lagerreibung. Ein Prozent weniger Gewicht senkt den Rollwiderstand um ein Prozent – das beschleunigt die Fahrt nur um 0,16 Prozent.

Anders sieht’s an einem steilen Berg aus:
Hier geht das Gewicht proportional in die Gesamtleistung ein. Zwei Kilogramm weniger Masse lassen uns an einer zehnprozentigen Steigung um 2% effektiver den Berg hinauf radeln.

Dennoch: In die Gesamt-Energiebilanz eines gemischten Streckenprofils von beispielsweise 1.000 Höhenmetern auf 100 Kilometer geht die Aerodynamik als dominanter Fahrwiderstand stärker ein als das Gewicht.

Quelle: "Fahrwiderstände" aus TOUR 5|2008


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